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Roche eröffnet Pionierzentrum für Gentherapie in Penzberg: Ein neues Kapitel in der Behandlung seltener Krankheiten

Innovation trifft auf Hoffnung: Roche investiert 90 Millionen in revolutionäre Gentherapie

von Benjamin Engel

Penzberg, 20. März 2024 - Wie herausfordernd das Forschungsfeld ist, zeigt ein Blick auf das Zahlenverhältnis. Um die 8000 seltene Krankheiten sind aktuell bekannt. Nur zwei Prozent davon sind bislang therapierbar, so Paul Wiggermann, der das Werk am Standort des Pharmaunternehmens Roche in Penzberg leitet. Um mehr der oft durch Fehlfunktionen oder Mutationen in den menschlichen Genen verursachten Krankheiten künftig womöglich sogar heilen zu können, dürfte das neue Gentherapie-Zentrum von Roche am Gelände im Nonnenwald ein wichtiger Baustein sein. Von einer „Schlüsseltechnologie der modernen Medizin“ und einem „starken Zeichen“ für den regionalen Innovations- und Wirtschaftsstandort sprach Wiggermann, als das Pharma-Unternehmen die neue Einrichtung in einem existierenden Gebäude am Standort Mitte März einweihte.

Ein Meilenstein der Investition: 90 Millionen Euro fließen in die Zukunft der Gentherapie

In das Gentherapie-Zentrum hat Roche nach eigenen Angaben um die 90 Millionen Euro investiert. Die Planungen dafür haben im Jahr 2021 begonnen. „This  is a really remarkable (bemerkenswerter) moment“, sagte Teresa Graham, die das globale Pharma-Geschäft von Roche leitet. Sie hoffe, dass die Einrichtung ein weiteres Kronjuwel der Unternehmenswelt werde. Bevor der Festakt zur Einweihung mit zahlreichen Gästen – auch aus der Politik – begann, hatten die Roche-Verantwortlichen am Standort Graham sowie weitere Wissenschaftler und Forscher durch das neue Zentrum für Gentherapie geführt.

Deutschlands einzigartiges Zentrum: Revolution durch Gentherapie

Laut Unternehmensangaben ist es deutschlandweit einzigartig. „In der modernen Medizin ist die Gentherapie dabei, eine Revolution auszulösen. Hier in Penzberg wird Roche in Zukunft mit Hilfe dieser Technologie vollkommen neue und zielgerichtete Therapieformen für Patient:innen entwickeln“, wird Claudia Fleischer zitiert, die Geschäftsführerin der Roche Diagnostics GmbH in Deutschland ist.

Vom Fahrrad zum Space Shuttle: Die Komplexität der Gentherapie veranschaulicht

„Die Gentherapie hat eine enorme molekulare Komplexität“, sagte Markus Haindl. Um das zu verbildlichen, spricht der Leiter für die technische Forschung und Entwicklung von Gentherapien bei Roche von einem Fahrrad, einem Auto und einem Space Shuttle. Für eine Arznei wie Aspirin mit 21 Atomen im entscheidenden Molekül steht das Fahrrad. Space Shuttles sind laut Haindl die viralen Genvektoren mit mehr als 800000 Atomen, die künftig in Penzberg entwickelt und hergestellt werden sollen. Diese sind als Transportvehikel zu verstehen, die etwa intakte Kopien von Gensequenzen in Körperzellen einschleusen, um Fehlfunktionen oder Mutationen zu reparieren.

Gemeinsam stark: Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Basis für Fortschritt

Fortschritt ist allerdings nur möglich, wenn Akteure aus der Forschung, klinischen Medizin, der Politik und der Gesellschaft zusammenarbeiten. Darin sind sich die Diskutanten einer anschließenden Talkrunde zur Gentherapie einig. Darunter sind etwa die Professorin Ulrike Protzner. Die Direktorin des Instituts für Virologie der Technischen Universität und des Helmholtz-Zentrums in München forscht mit ihrem Team etwa an neuen Therapieansätzen für chronische Hepatitis B und nutzt dafür Vektoren für Impfstoffe. Professor Stylianos Michalakis leitet eine Arbeitsgruppe zur Gentherapie von Augenerkrankungen an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Der Senior-Vizepräsident für Scientific Partnerships bei Roche, Gerd Maas, erinnert, wie weit die Ansätze zur Gentherapie in den vergangenen drei Jahrzehnten vorangeschritten sind. Laut Anna Bauer-Mehren, Leiterin der Data-Science-Abteilung bei Roche, erläutert, wie Künstliche Intelligenz (KI) inzwischen helfen kann, um bessere und zielgerichtetere Therapien zu entwickeln. Von den Chancen mithilfe der Gentherapie Erkrankungen des zentralen Nervensystems oder neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson besser behandeln zu können, spricht Hendrik Knoetgen, der als Globaler Leiter für die Nukleinsäure-basierte Medizin bei Roche verantwortlich ist.

Von der Forschung zur Anwendung: Die Rolle der Politik in der Wissenschaftsförderung

Ebenso ist die Politik zahlreich vertreten. Unter den Gästen sind Landrätin Andrea Jochner-Weiß (CSU; Weilheim-Schongau) und Landrat Josef Niedermaier (FW; Bad Tölz-Wolfratshausen). Anwesend waren auch die Landtagsabgeordneten Harald Kühn, Thomas Holz sowie der Penzberger Bürgermeister Stefan Korpan (alle CSU). Per Video zugeschaltet ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich aus einer Kabinettssitzung zuschaltet. Er spricht von der Bedeutung von Technologie, Wissenschaft und Innovation. Eine Vorlage, die Professor Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG, direkt aufgreift. So lobt er den Ministerpräsidenten  dafür, gegen die fehlgeleitete Gesundheitspolitik im Bund mitzuhelfen, erweitert den Staatsregierungsslogan von „Laptop und Lederhose“ durch „Bratwurst und Biotech“ sowie „Germknödel und Gentechnik“.

Ein symbolischer Akt: Die Einweihung des Gentherapie-Zentrums und der Blick in die Zukunft

Abgeschlossen wird die Einweihungsfeier damit, dass Haindl und Graham von Roche das Modell einer Doppelhelix vervollständigen. Das bedeutet aber nicht, dass der Standort in Penzberg fertig entwickelt ist. Derzeit wird bereits an einem neuen Diagnostik-Forschungszentrum (LEAP) gebaut. Es soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen.

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