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Fünfseenfilmfestival Starnberg

"...wie Dich selbst?

Neuer Dokumentarfilm von Susanne Petz und Ralph Gladitz

Von Andrea Weber

Münsing, 20.8.2021 – Ein kleiner weißer Hocker. Darauf nehmen neun Menschen Platz und erzählen vor der Kamera aus ihrem Leben. „Warum will ich ein anderer sein, der ich nicht bin?“ Es ist ein offenes, ehrliches und unverstellte Hinterfragen der eigenen Lebenseinstellung.  Auf dem Fünfseenfilmfestival in Starnberg und Gauting wird der neue Dokumentarfilm „… Wie dich selbst?“ von Susanne Petz und Ralph Gladitz erstmals gezeigt. Ein Film über die revolutionäre Kraft der Liebe respektive Selbstliebe.

 „Ich will wissen, warum Menschen ticken, wie sie ticken“, erklärt Susanne Petz in einem Gespräch in ihren Arbeitsräumen in dem Waldhaus nahe Schloss Weidenkam. Als freie Journalistin hatte die gebürtige Westfälin, die seit 2008 in Münsing lebt, stets mit Menschen und vielerlei Themen zu tun. Sie studierte in München Politik und arbeitete bei B5 Aktuell als Redakteurin. Sie produzierte Filmbeiträge für das Frauenmagazin Mona Lisa im ZDF, war freie Journalistin für Printmedien von der taz bis Cosmopolitan und Moderatorin beim Radiosender Jazz-Welle. Als Journalistin hörte sie zu. Heute steigt sie tiefer in die Materie der menschlichen Befindlichkeiten ein. Die 60-Jährige arbeitet inzwischen beruflich als Business Coach. „Es ist spannend, was entstehen kann, wenn man offen über Gefühle spricht“, erklärt sie.

Das Leben prägt

In der Filmdokumentation „… Wie dich selbst?“ schätzen die neun Protagonisten im Alter von 28 bis 88 Jahren zunächst ihr Selbstwertgefühl auf einer Skala von eins bis zehn ein. Dann erzählen sie von ihrem Leben. „Ich habe manchmal schon so etwas Verzagtes an mir“, sagt der Typ im Trailer mit der Jeansjacke und den grauen langen Haaren. Sein Blick hält kurz inne und wird nachdenklich. Dann erzählt er fast lapidar, dass er im Geburtskanal stecken geblieben sei. „Mich haben sie mit der Zange geholt“, sagt er und lacht scherzhaft. Horst ist 88 Jahre und war Gärtner auf Schloss Weidenkam. Er erfuhr erst viel später, dass sein Vater nicht sein leiblicher war. Georg, der Zimmerer aus Münsing, wuchs bodenständig auf einem Hof auf, Johannes in einer Patchwork-Familie und Laura verlor als Kind ihre Eltern. Neun Lebensgeschichten, die diese Menschen prägten.

Der neue Dokumentarfilm von Susanne Petz und Ralph Gladitz ist ein Dialog zwischen Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung, zwischen Zurückhaltung und Mut zur Veränderung, mit Einblendungen von Naturaufnahmen aus dem Oberland. Für den Zuschauer ist dieser Film eine Reflexion über sich selbst.

Die Filmdokumentation wird auf dem Fünfseenfestival erstmals gezeigt. Freitag, 20.8. um 20 Uhr Kino Breitwand in Starnberg und Samstag, 21 Uhr um 14 Uhr und um 17 Uhr Kino Breitwand in Gauting. Weitere Infos und Tickets unter www.fsff.de

Fotos: Andrea Weber / Susanne Petz


Weitere Hintergrundinfos zum Film

Susanne Petz arbeitete rund 10 Jahre als Business-Coach, als sie erkannte, wie wichtig die Selbstliebe für unser Leben und unsere Gesellschaft ist. Um dem Thema Gehör zu verschaffen, nahm die Journalistin und ehemalige Filmproduzentin der evangelischen Kirche ihren ersten Beruf wieder auf und suchte Mitstreiter*innen für ihr Herzensanliegen. „Die meisten von uns sind so stark damit beschäftigt Rollen und Erwartungen zu erfüllen, dass wir dabei weit über unsere Grenzen hinausgehen. So entsteht ein Mangel an Wertschätzung, Wohlwollen und Liebe für uns selbst, der unsere Gesellschaft an den Punkt gebracht hat, an dem wir heute sind.“ Ralph Gladitz, vor Jahrzehnten Petzs Kommilitone an der Münchner Uni und seitdem weltweit als Reporter und Filmemacher unterwegs, um über konträre Lebenswelten zu berichten und Menschenschicksale zu dokumentieren, stieg zuerst nur aus Freundschaft in das Projekt ein. „Wie hochpolitisch das Thema „Selbstliebe“ ist, wurde mir nach unseren ersten, extrem intensiven und intimen Interviews klar.Aus den persönlichen Bekenntnissen unserer Protagonisten eröffnet der Film einen ganz neuen Blick auf die Frage, warum so vieles schief läuft in dieser Welt.“

Gemeinsam mit Kameramann Pius Neumaier entwickelten die beiden Regisseure den puristischen Stil des Dokumentarfilms. Der Fokus bleibt ganz bei den Protagonisten, denen wir beim Nachdenken über das eigene Leben zuschauen und zuhören dürfen. Allein die dialogisch ineinander verwobenen Gespräche – samt Denk-Pausen! - führen den Zuschauenden immer tiefer in die Zusammenhänge, die unsere Selbstliebe fördern oder begrenzen können. Wir erfahren zum Beispiel, wie sehr die Erinnerung an den liebevollen Blick der Mutter auch einen heute 65jährigen Mann noch bewegen kann. Mehrfach wird deutlich, wie tief die Wunde sein kann, die das Schweigen über Teile der Familiengeschichte verursacht. Berührend ist es, dabei sein zu dürfen, wenn der 30jährige Johannes zu dem Schluss kommt: „Sicherheit gab es für mich nur in der Phantasie.“ Hoffnung auf eine lebenslange Entwicklung gibt Ingeborg, die im Alter von 86 Jahren preisgibt: „Ich war ein Kind aus gutem Haus. Ich war beruflich eine erfolgreiche Fotografin. Aber lieben tue ich mich erst jetzt im hohen Alter.“

Der/die Zuschauende ist von Beginn an eingeladen, anhand dieser Reflexionen auch auf sein/ihr Leben zu schauen. Jede(r) von uns könnte auf dem Hocker allein in der großen Landschaft sitzen. Das transportiert der Film auch dadurch, dass kein Kommentar, kein Bild die Lebenssituation der Gesprächspartner*innen greifbarer macht. Dem Gedanken, dass dies Schicksale sind, die mit mir nichts zu tun haben, ist so geschickt der Nährboden entzogen. Unterstützt wird diese Art der Rezeption durch die Kameraarbeit von Pius Neumaier, dessen Landschaftsaufnahmen dem Film Ruhe und Bodenhaftung geben. Sekundenlange Momente der Stille, die Stephan Willing mit seiner für den Film komponierten und eingespielten Musik nicht unterbricht, sondern verstärkt.

Um dieser Frage Gehör zu verschaffen, sind die Produzenten Dominik Utz und Martin Schwimmer, DOMAR Film GmbH, mehr als drei Jahre lang am Ball geblieben und haben zusammen mit Susanne Petz, die als Die Freibeuterin auch Ko-Produzentin ist, für professionelle Rahmenbedingungen gesorgt.

Stab:
Buch und Regie             Susanne Petz und Ralph Gladitz
Kamera & Ton                Pius Neumaier
Schnitt                             Celina Jacobs und Corinna Lösel (BFS)
Musik                                Stephan Willing
Produzenten                 Susanne Petz, Martin Schwimmer und Dominik Utz
Produktion                     DOMAR Film und Die Freibeuterin

Trailer https://www.wie-dich-selbst.de/Film/

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