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Filmemacher Michael von Ferrari im Gespräch

Filmemacher Michael von Ferrari im Gespräch

Ruinenschleicher und andere Kindheitserinnerungen

Von Andrea Weber

Wolfratshausen, 18.4.2024 – Mit seinem dritten Film „Ruinenschleicher und Schachterleis“ hat Michael von Ferrari zusammen mit dem Team von Muenchen-Zeitreisen.de die Kindheitserinnerungen von 28 Zeitzeugen der Nachkriegszeit in München dokumentiert. Film-Matinee am 21. April, Beginn 11 Uhr im Wolfratshauser Kino.

Aus 60 Stunden Filmmaterial wurde eine berührende und geschichtlich wertvolle Dokumentation. Der einstündige Film vereint die Gespräche mit den Protagonisten mit historischem Bild- und Filmmaterial. Zu sehen ist die unvorstellbare Zerstörung Münchens, der Einmarsch der amerikanischen Besatzer und die Hoffnung der Menschen auf eine friedliche demokratische Zukunft. Für Michael von Ferrari galt es „diese Schätze zu heben, bevor sie mit ins Grab genommen werden“. Der Film sei aber auch eine Mahnung in Zeiten, in denen rechtspopulistische Parteien wie die AfD wieder an Boden gewinnen. Andrea Weber sprach mit dem Filmemacher. 

Herr von Ferrari, darf ich zuerst nach Ihrem prominenten Namen fragen? Sind Sie ein Münchner Kindl oder ein Erbe des italienischen Sportwagenherstellers?

(Lacht). Weder noch. Ich bin am 13. August 1958 in Wolfratshausen geboren. Mein Vater war Eduard von Ferrari, Chefarzt der Chirurgie im Wolfratshauser Kreiskrankenhaus. Er ist zwei Monate vor meiner Geburt gestorben. Ich wuchs in Hohenschäftlarn auf, studierte mit 20 Jahren in Berlin Stadtplanung. Seit 1991 lebe ich in München und war von 1996 bis 2017 Umweltreferent in Haar. 2012 erkrankte ich an Parkinson.

Das sagen Sie so offen und unverblümt.

Ja, weil ich stolz bin, dass ich Dank unseres tollen Teams und meiner Krankheit zum Trotz dieses arbeitsintensive Filmprojekt schultern konnte.

Der Film heißt „Ruinenschleicher und Schachterleis“. Verraten Sie uns, was hinter dem Titel steckt?

Der Ruinenschleicher war eine Nachkriegs-Trambahnlinie in München. Die Linie 37. Sie wurde so genannt, weil sie langsam auf kurvenreicher Strecke durch besonders zerstörte Viertel fuhr. Was das „Schachterleis“ war, verrate ich nicht. Das erfährt man im Film.

Wie kamen Sie auf die Idee mit den Zeitzeugen-Filmen?

Ich bin ein Lebensgeschichtensammler. Das dramatische 20ste Jahrhundert interessiert mich besonders. Ich bin auch ein Hobbyfotograf und stellte 2016 fest, dass man mit meiner Digitalkamera auch gut filmen kann. Seitdem habe ich fast 100 Menschen interviewt. Zusammen mit Dr. Lutz Eigel und Angelika Wimbauer, die ich 2019 beim Münchner Kulturführerschein kennenlernte, begannen wir 2021, Zeitzeugen zu interviewen. Die professionelle Filmemacherin Ursula Ambach half uns beim Schnitt und der Post-Produktion.

Sie haben mit 28 Münchnerinnen und Münchnern Gespräche vor der Kamera geführt. Wie haben sie ihr Vertrauen gefunden, dass sie Ihnen ihre Geschichten erzählten?

Es war unsere feinfühlige Art zu fragen. Alle haben sich gefreut, dass jemand zuhört, wie sie als Kinder im Schutt spielten, in notdürftig reparierten Ruinen wohnten, wie die Amerikaner von den Panzern Bonbons warfen. Wie die erste Schokolade schmeckte und die Bockerlbahn den Schutt abtransportierte. Ich möchte mit diesem Film zu einem Dialog zwischen den Generationen anregen. Ich wünsche mir, dass die Großeltern ihren Enkelkindern ihre Erinnerungen weitergeben, damit diese Zeit nie in Vergessenheit gerät. Im nächsten Jahr ist eine Fortsetzung geplant. Dann geht es um Halbstarke, die Bedeutung des Kinos und die Rock’n’Roll-Zeit.

Film-Matinee „Ruinenschleicher und Schachterleis“ am 21. April 2024, Beginn 11 Uhr, Kino Wolfratshausen. www.kino-wolfratshausen.de . Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem Filmemacher statt. 

Fotos: Michael von Ferrari


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